Zinnober in der Kiste voller Langeweile

Zinnober in der Kiste voller Langeweile

Unser Nachbar winkte mich an den Gartenzaun und schenkte mir die Zigarrenkiste, die er irgendwann irgendwo irgendwie bekommen hatte. Die Zigarrenkiste war voller langweiliger Belege. Alles Dauermarken! Ich ging damit zu Dr. Phil und fragte ihn, was er davon hält. War ja nichts Besonderes, keine Einschreibbriefe, keine Auslandssendungen, einfach Postkarten aus der Zeit um den Ersten Weltkrieg.

Nur Dauermarken?

Dr. Phil griff die erste Karte und schaute mich vorwurfsvoll an: „Du willst mir jetzt nicht sagen, dass du damit nichts anzufangen weißt?“ Ich nahm die Karte und begann zu stottern: „da… da…“ Dann sah ich es: „Danzig!“, rief ich. Na klar, nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Stadt Danzig (Gdańsk) aus dem Deutschen Reich herausgelöst und zu einem unabhängigen Staat. Natürlich hatte Danzig eigene Briefmarken unter denen es auch richtig teure gibt. Aber die 10-Pfennig-Marken mit dem Stadtwappen gehören nicht dazu, so erinnerte ich mich. „Schau die Rückseite an!“, rief Dr. Phil. Ich verstand nicht recht. Wie sollte ich denn die Rückseite einer Briefmarke anschauen, solange sie aufgeklebt ist? Vergeblich hielt ich die Postkarte gegen das Licht. Ich konnte keine Rollenmarkennummer oder so erkennen!

Philatelistisch nicht besonders interessant: Postkarte aus Danzig.

Die Bildseite der Ansichtskarte ist da schon viel spannender! Schiffsverkehr im Danziger Hafen vor 100 Jahren.

Jetzt wurde es Dr. Phil zu bunt. Er griff sehr vorsichtig zu der Karte und drehte sie um. Verständnislos sah ich das Bild auf der Rückseite an. Dr. Phil erzählte mir, dass die Postkarte philatelistisch zwar wenig her mache, dafür aber „philokartistisch“ interessant sei. Und dann erzählte er mir, dass Philokartie die Sammelliebe zu Postkarten sei und dass es Menschen gibt, die Postkarten sammeln. Und ich hielt hier eine Postkarte in den Händen, die den Hafen von Danzig-Neufahrwasser mit einem Passagierdampfer und drei Schleppern zeigt, die ihn an seinen Liegeplatz ziehen. Dr. Phil sagte, dass die Karte somit nicht nur für Sammler von Postkarten mit Motiven aus Danzig, sondern auch für Sammler maritimer Motive interessant sei. ZINNOBER ZACKE

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Eine ebenfalls alltägliche Karte aus dem Großraum Danzig.

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Die Bildseite: Sommerurlaub in Kahlberg (Krynica Morska).

 

Dr. Phil informiert:

Das Sammeln von Postkarten ist ein Hobby, mit dem Briefmarkensammler immer wieder in Berührung kommen. Es gibt bedeutend mehr verschiedene Postkarten als Briefmarken, weshalb es nur einige wenige Kataloge gibt. Anders als beim Sammeln von „Bund“ weiß man also nie, ob man ein bestimmtes Thema vollständig hat oder ob es noch weitere Karten gibt.

Dr Phil Briefmarken Spiegel 7-2018Gesammelt werden in erster Linie Karten vor dem Zweiten Weltkrieg. Aufgrund der ungeheuren Zahl verschiedener Postkarten muss man sich ein Sammlungsthema überlegen. Viele sammeln die Postkarten eines Ortes oder einer Region. Man kann aber auch wie bei Briefmarken thematisch sammeln und zum Beispiel Postkarten zum Schiffsverkehr zusammentragen.

Das Preisniveau ist wie bei Briefmarken höchst unterschiedlich. Interessant: Je mehr Touristen unterwegs waren, desto mehr Postkarten gibt es. Deshalb sind Postkarten von touristisch uninteressanten Orten manchmal deutlich teurer. Völlig unersetzlich sind natürlich Postkarten, die die eigenen Ahnen geschrieben oder bekommen haben. Diese gehören nicht in die Tauschkiste.


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Authored by: BMS-Redaktion

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