Interview – „Was treibt er da?“

Interview – „Was treibt er da?“

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Das Philatelisten- und Autorenehepaar Dr. Elmar und Ute Dorr mit ihren beiden gemeinsam erstellten Erstlingswerken aus den Jahren 2017 und 2019 zu den Themen Postgeschichte und Heimatsammlung für Neustadt an der Haardt und dem Orient-Express (Abb.: privat).

Auch wenn es beiden nicht so wichtig ist, man kommt um das Thema einfach nicht drumherum: Frauen sind nicht gerade zahlreich in der Philatelie vertreten und Ehepaare, die ihr Hobby gemeinsam leben, sind naturgemäß noch viel seltener. Grund genug für uns, mit Ute und Dr. Elmar Dorr über ihre Leidenschaft fürs Sammeln und Schreiben ausführlich zu sprechen.

Frau und Herr Dr. Dorr, wie kam es dazu, dass Sie beide gemeinsam philatelistische Bücher und Artikel veröffentlichen?

Dr. Elmar Dorr: Da muss ich ein wenig ausholen: Ich habe zwar schon als Schüler gesammelt, aber dann viele Jahrzehnte ausgesetzt. Bis ich im Jahr 2006 aus einer Laune heraus in einem Kaufhaus einen Michel-Katalog kaufte.

Ute Dorr hakt ein: Ich dachte: „Was treibt er denn da?“ Ich konnte mich nur daran erinnern, wie ich als Kind meiner Tante beim Ausschneiden, Wässern und Trocknen zugeschaut habe – das fand ich unglaublich langweilig!

Wie ging es dann weiter?

Dr. Elmar Dorr: Der Blick in den Katalog erstaunte mich, ich hatte keine Ahnung von dem philatelistischen Preisverfall gehabt. Nach einigen Gesprächen mit Experten, beispielsweise auf einem Großtauschtag, verwarf ich die Idee, dort weiterzusammeln, wo ich früher aufgehört hatte. Stattdessen weckte ein roter Fingerhutstempel mein Interesse für die Vorphilatelie.

Ute Dorr: Ich fuhr meinen Mann oft zu solchen philatelistischen Veranstaltungen. Je länger die dauerten, desto dicker musste das Buch in meinem Gepäck sein!

Das hat sich aber irgendwann geändert …

Ute Dorr: Ja und wie: Wir reisten 2011 zu einem Vorphilatelie-Seminar nach Salzburg. Ehrlich gesagt, wusste ich nicht, was „Vorphilatelie“ bedeutet. Ich hatte mir viel Lesestoff mitgenommen – den ich dann aber gar nicht brauchte. Denn die Präsentation weckte mein Interesse. Ich war fasziniert über die Forschungen zu den Postrouten früherer Jahrhunderte. Ich wollte mehr wissen, stellte viele Fragen und bekam lehrreiche Antworten.

Frankobrief vom 6. Juli 1800 aus Worms

Frankobrief vom 6. Juli 1800 aus Worms mit Department – Port Payé – Zweizeiler „P100P WORMS“ sowie rückseitigem handschriftlichen Taxvermerk über 4 Décimes nach dem Tarif vom 22. März 1800 für einen Brief bis 15 Gramm und einer Entfernung bis 100 Kilometer.

Sie wurden also zur Vorphilatelistin?

Ute Dorr: Naja, nicht sofort. Ich musste erst noch mein Thema finden. Denn ich brauchte einen direkten Bezug. Und dann funkte es: Als leidenschaftlicher Agatha-Christie-Fan wollte ich die Route des Orient-Expresses untersuchen. Ich begann zu recherchieren. Es gab fast keine Literatur, aber das Auktionshaus Gärtner half mir weiter und ich fand den oben abgebildeten Beleg.

Wie war das für Sie, Herr Dr. Dorr? Plötzlich begeistert sich auch ihre Frau für ihr Hobby!

Dr. Elmar Dorr: Für mich war es spannend zu beobachten, wie motiviert Ute sich in ihr neues Hobby stürzte. Heute, wenige Jahre später, kann sie stolz auf ihre einzigartige Sammlung sein.

Wie gelang es Ihnen, Frau Dorr, eine so besondere Sammlung zusammenzustellen?

Ich habe tief gebuddelt und weltweit bei Auktionshäusern recherchiert, unzählige Kataloge durchforstet und die Routen des Zuges zusammengestellt. Das Thema hat mich gefesselt.

Sammeln ist das eine, selber Bücher schreiben das andere. Wie kam es zu Ihren Buchprojekten?

Dr. Elmar Dorr: Da gilt eigentlich für beide Bücher dasselbe. Wir sind so fasziniert von unseren Forschungsgebieten und wissen, dass es für beide kaum ausführliche Literatur gibt. Außerdem lieben wir Bücher und haben mit Wolfgang Maassen einen guten Unterstützer für die Erstellung unserer Bücher gefunden.

Wie arbeiteten Sie zusammen an den Büchern? Man muss ja auch Ihre Fernbeziehung berücksichtigen.

Ute Dorr: Gerade unter Corona-Bedingungen ist das nicht leicht, aber die moderne Technik hilft, weil es kein Problem mehr ist, schnell große Datenmengen zu transferieren und per Zoom darüber zu sprechen. Aber die ersten Bücher entstanden ja vor der Pandemie. Da sind wir sehr offen mit den Themen und der Kritik daran umgegangen. Beim Neustadt-Buch war mein Mann federführend und ich lektorierte eher. Beim Orient-Express war es umgekehrt. Oft trieb mich mein Mann mit seinem akademischen Hintergrund zu noch mehr Genauigkeit.

Dr. Elmar Dorr: Ich denke, dass wir uns mit unseren unterschiedlichen beruflichen Hintergründen sehr gut ergänzen. Beide Projekte haben sehr viel Spaß gemacht …

Ute Dorr: … und die Verkaufszahlen zeigen: Es lohnt sich.

Gab es Reaktionen von Lesern?

Ute Dorr: Ja, es kommen ständig neue Hinweise und Kommentare. Das ist sehr spannend und freut uns sehr.

Es hörte sich so an, als seien schon neue Projekte in Arbeit …

Dr. Elmar Dorr: Tatsächlich arbeiten wir beide an neuen Projekten. Mein nächstes Buch zum Thema „Ungarische Post im Auslandspostverkehr“ befindet sich bereits in der Lektoratsphase.

Ute Dorr: Und mein nächstes Projekt behandelt Mohammed Abdullah Hassan, genannt „Mad Mullah“ und hat letztlich sogar auch einen Pandemiebezug …

Route in Agatha Christies „Mord im Orient-Express“

„Mein erster, 2011 gekaufter Beleg beschreibt die Route in Agatha Christies „Mord im Orient-Express“. Romanheld Hercule Poirot wird vom Orient-Express von Syrien nach Paris befördert.

Sie schreiben ja für eine relativ kleine und auch kleiner werdende Zielgruppe. Haben Sie Angst um die Zukunft der Philatelie?

Ute Dorr: Das ist eine sehr komplizierte Frage. Sicher mangelt es den Vereinen an Nachwuchs. Da fehlen Konzepte und auch junge Menschen, die Jugendliche für ihr Hobby begeistern. Auch Frauen sollte man bei Seminaren nicht unbedingt mit Alternativprogrammen abspeisen, sondern sie einbinden. Bei mir hat es jedenfalls funktioniert.

Dr. Elmar Dorr: Abseits von der organisierten Philatelie scheint es tatsächlich auch ganz gut zu laufen. Die Auktionsergebnisse zeigen, welch außerordentliches Interesse an Sammlerstücken besteht. Wichtig ist, dass es bald wieder reale Treffpunkte gibt. Denn die Philatelie lebt von der direkten Kommunikation, das Internet unterstützt hier sehr gut, aber es kann die Geselligkeit nicht ersetzen.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Ute Dorr ist 1968 in Kandel (Südpfalz) geboren. Lange arbeitete sie im Papiereinzelhandel. 2014 wechselte sie in die Geschäftsführung eines Personaldienstleisters in Schwäbisch Gmünd.

Dr. Elmar Dorr ist 1968 in Simmern bei Koblenz geboren und promovierte in physika­lischer Chemie. Er arbeitet als Softwareexperte für das schweizerische Bundesamt für Justiz in Bern.


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Authored by: Stefan Liebig

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