Praxistipp: Anfassen erlaubt!?

Praxistipp: Anfassen erlaubt!?

Weit verbreitet wird eine Botschaft, die wohl so manche abschreckt, die sich ganz allgemein fĂŒr Briefmarken interessieren: „Niemals befingern!“ So empfiehlt ein Michel-Ratgeber: „Briefmarken soll man nicht unbedingt mit den Fingern anfassen. Deshalb verwendet man eine Pinzette, um keine unschönen FingerabdrĂŒcke auf den Marken zu hinterlassen“.

FĂŒr manche Einsteiger bildet die – vielfach irrefĂŒhrende – Vorstellung, dass man Briefmarken nur mit der Hilfe von Pinzetten „anfassen“ darf, eine Hemmschwelle. Wir wollen zeigen, dass die BerĂŒhrung mit den Fingern und HĂ€nden in vielen FĂ€llen kein „Tabu“ ist, im Gegenteil sogar nĂŒtzlich sein kann, solange man vorsichtig genug dabei vorgeht! Auch philatelistische Profis werden zugeben mĂŒssen, dass sie in manchen FĂ€llen eine Handhabung gegenĂŒber dem Hilfsmittel Pinzette bevorzugen.

Praxistipp_Briefmarken_Philatelie_-Deutsches-Reich_MiNr.397_senkrecht_geriffelt

Höchstwert: Deutsches Reich MiNr. 397 senkrecht geriffelt, ** mit Fingerabdruck zu 30 Prozent des Katalogwerts (Quelle: Philasearch).

Praxistipp 1

Die wichtigste Grundregel, die vor dem Hantieren mit Postwertzeichen, Briefen und Belegen gelegentlich vergessen wird: Immer vorher grĂŒndlich HĂ€nde waschen, um Fettspuren und SĂ€ureanteile der Transpiration zu entfernen (pH-neutrale Seife ohne Pflegesubstanzen). Und danach gut die HĂ€nde abtrocknen, mit einem frischen Handtuch, das wenig lĂ€ngere Fusseln abgeben sollte, besser aus Baumwolle statt Frottee-Mischungen. Auch an den FingernĂ€geln sollte keine Feuchtigkeit mehr sein. Es kann nicht schaden, ein Handtuch in GriffnĂ€he zu behalten. Wer leicht zu feuchten HĂ€nden neigt, sollte sie bei lĂ€ngerwĂ€hrenden Aktionen auch zwischendurch wiederholt waschen; nach etwa einer halben Stunde lĂ€sst die Wirkung der Seife nach.

FĂŒr das Arbeiten mit den Fingern spricht, dass man im wörtlichen Sinn ein „GefĂŒhl“ fĂŒr Briefmarken in den Fingerspitzen entwickeln kann. Unterschiedliche LĂ€nder und Perioden verwendeten diverse Papiersorten, die man erspĂŒren und erleben kann – weich oder hĂ€rter, dĂŒnner oder dicker. Bei Ausgaben im Stichtiefdruck und mit PrĂ€gedruck fĂŒhlt man die erhabenen Partien. Manche Manipulationen wie Hinterlegungen, ausgebĂŒgelte Knicke oder Nachgummierungen, selbst etliche Neudrucke und FĂ€lschungen lassen sich schon durch den Vergleich von Hand erahnen.

Beim Sortieren und ZĂ€hlen von grĂ¶ĂŸeren StĂŒckzahlen kommt man mit den Fingern oft schneller voran. Auch das Einstecken und saubere Platzieren von Briefmarken, Kleinbogen, Blocks und Belegen in die unterschiedlichsten Formen und Systeme von Alben lĂ€sst sich in vielen FĂ€llen besser mit UnterstĂŒtzung von Hand bewerkstelligen. Das Zertrennen von Einheiten wĂ€re mit Pinzetten kaum sinnvoll und sogar höchst riskant. Auch beim Ablösen von Briefmarken sind Pinzetten fehl am Platz.

Vorsicht ist zwar geboten, doch Briefmarken zerfallen nicht zu Staub, wenn sie mit den Fingern angefasst werden. Die meisten StĂŒcke sind im Lauf ihrer Existenz ohnehin schon mehrfach geduldig durch verschiedene HĂ€nde gegangen.

Viele tragen bereits Spuren ihrer ersten postalischen Behandlung, die QualitĂ€t und Wert bestimmen. Sie wurden in der klassischen Periode mal mehr, oft weniger exakt mit Scheren aus den Bogen geschnitten, wobei eine Hand sie halten musste. SpĂ€ter wurden sie mit den Fingern aus gezĂ€hnten oder durchstochenen Bogen getrennt, wobei eilige und sorglose Handhabung, unterschiedliche AusfĂŒhrung der Trennungsformen und Papiere negative Auswirkungen hervorgebracht haben – wie fehlende ZĂ€hne oder Ecken.

Praxistipp 2

Praxistipp_Briefmarken_Philatelie_Saar_MiNr.1IK

Saar: kopfstehender Aufdruck MiNr. 1IK ** (leichter Fingerabdruck), bei Katalogwert 650 zu 80 Euro ohne Gebot.

Hin und wieder passierte es, dass ein Fingerabdruck oder mehrere solcher Spuren auf der gummierten RĂŒckseite verblieben sind. Oft sind sie nur schwach zu erkennen, wenn man die Marke schrĂ€g gegen eine Lichtquelle hĂ€lt. Bei leichten oberflĂ€chlichen FingerabdrĂŒcken kann man versuchen, durch mehrfaches langsames Anhauchen mit dem feuchten Atem die Glanzschicht der Gummierung wieder zu glĂ€tten. Vorsicht und Geduld sind dabei nötig; zu oft darf man den Vorgang nicht wiederholen, um die Gummistruktur nicht zu verĂ€ndern.

Praxistipp 3

Bei gestempelten Ausgaben oder Ungebrauchten ohne verbliebene Gummierung ist die BerĂŒhrung und Sortierung von Hand in der Regel kein Problem. Zum nĂ€heren Betrachten ist es zu empfehlen, eine lose Marke nur an den Kanten gegenĂŒberliegender RĂ€nder oben und unten (beziehungsweise links/rechts) leicht zwischen Daumen und Zeigefinger oder Daumen und Mittelfinger zu halten. Die Spannung des Papiers ist bei den meisten Sorten ausreichend, ohne dass man dabei Druck auszuĂŒben braucht.

Text: Michael Burzan

 

Weitere Teile dieser Serie finden Sie hier:
Teil 1: Anfassen erlaubt!?
Teil 2: Auf Spurensuche
Teil 3: FĂŒr Daktyloskopen
Teil 4: Als Signaturen


Anzeige
Katalog bestellen MICHEL
Westeuropa 2024 (E 3)

ISBN: 978-3-95402-473-5
Preis: 74,00 €
Versandkostenfreie Lieferung innerhalb Deutschlands.

Katalog bestellen


Authored by: BMS-Redaktion

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert